
Management und Leadership: Am Scheideweg
Warum aktuelle Modelle an ihre Grenzen stoßen
Während Unternehmen sich mühsam aus Jahren der Turbulenzen – Pandemie, Inflation, unterbrochene Lieferketten, digitale Transformationen – befreien, zeichnet sich ein tiefergehendes Thema ab: das Management.
Traditionelle Kategorien wie „Führungskraft“, „Manager“ oder „Leitung“ erscheinen zunehmend unzureichend für die heutigen Herausforderungen. Hinter der Flut von Schlagwörtern wie „Agilität“, „Arbeitswohlbefinden“ oder „inspirierende Führung“ stellt sich eine grundlegende Frage: Müssen nicht vielmehr die Machtstrukturen selbst überdacht werden als die handelnden Personen?
Führung oder kollektive Koordination?
Das 20. Jahrhundert prägte ein Führungsbild, das auf der charismatischen, visionären und transformierenden Einzelperson basiert. Dieses Modell ist nach wie vor in Fachliteratur, HR-Seminaren und MBA-Programmen präsent.
Doch in einer Welt, die von permanenter Unsicherheit und systemischer Komplexität geprägt ist, zeigt dieses Paradigma seine Grenzen.
Forscher wie Henry Mintzberg oder Frédéric Laloux befürworten einen anderen Ansatz: verteilte Führung, bei der die organisatorische Leistung weniger von einer Einzelperson als vielmehr von der Fähigkeit eines Kollektivs abhängt, sich selbst zu organisieren, Entscheidungen zu treffen und zu lernen.
Dies erfordert einen kulturellen Wandel: weg von einem auf Kontrolle basierenden Management hin zu einem Ansatz, der auf Vertrauen und Subsidiarität setzt.
Das Management-Defizit: ein systemisches Symptom
Studien zeigen immer wieder ähnliche Ergebnisse: steigende Burnout-Raten bei Führungskräften, stille Kündigungen, Sinnkrisen bei mittleren Managern.
Von ihnen wird erwartet, gleichzeitig Strategen, Coaches, Teamkohäsionswahrer und Leistungsträger zu sein. Diese Rollenüberlastung weist weniger auf Inkompetenz hin als auf ein strukturelles Ungleichgewicht.
Management wird so zu einem Spannungsfeld, in dem kurzfristige wirtschaftliche Ziele mit menschlichen, ethischen und ökologischen Erwartungen kollidieren.
Managementfunktionen neu denken: eine organisatorische Dringlichkeit
Viele Organisationen versuchen, ihre Praktiken anzupassen: Holokratie, „Teal“-Modelle, Co-Development, Teamcoaching, kollektive Intelligenz… Diese Versuche zeigen eines: die Notwendigkeit, neue Konfigurationen von Macht, Autorität und Entscheidungsfindung zu erkunden.
Doch es geht nicht nur um technische Anpassungen. Es handelt sich um tiefgreifende Arbeit, die kulturelle Entscheidungen, politische Abwägungen und oft eine Haltungsänderung der Führungskräfte selbst erfordert.
Und jetzt?
Die Transformation des Managements wird weder durch eine neue Wunder-Methode noch durch eine Vielzahl von „Soft-Skills“-Trainings erreicht. Sie erfordert eine reflektierende, kollektive und iterative Auseinandersetzung mit der Frage, was es heute bedeutet, zu „führen“, zu „koordinieren“ und zu „mobilisieren“.
Es ist an der Zeit, die richtigen Fragen zu stellen:
- Was ist legitime Macht in einer Organisation?
- Welchen Raum gibt es für Meinungsäußerung, Widerspruch und Initiative?
- Wie kann Verantwortung neu definiert werden, ohne sie zu verwässern?
Möchten Sie tiefer einsteigen?
Einige Institutionen – Forschungsinstitute, Praktikerkollektive, Ausbildungszentren – begleiten diese Reflexionsarbeit, ohne ein bestimmtes Modell aufzuzwingen. Beispielsweise bietet Swissnova Räume für Diskussion und Experimentieren rund um neue Formen des Managements an. Ein weniger vorschreibender, sondern partizipativer Ansatz, der Fragen gegenüber vorgefertigten Antworten bevorzugt.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie von Überlegungen zur Entwicklung des zeitgenössischen Managements. Er zielt nicht darauf ab, ein einziges Modell zu fördern, sondern Denkanstöße zu geben, basierend auf den Spannungen, die in aktuellen Praktiken beobachtet werden.