
Öffentliches Sprechen: Die vergessene Kompetenz im digitalen Zeitalter?
Wir sprechen viel über digitale Transformation, Agilität und künstliche Intelligenz. Aber immer weniger über… das Sprechen selbst. Im wörtlichen Sinne. Das öffentliche Sprechen – also die grundlegende menschliche Fähigkeit, Gedanken vor einer Gruppe zu strukturieren und zu vermitteln – scheint aus dem beruflichen Fokus verschwunden zu sein. Müssen wir uns darüber Sorgen machen?
Mündlichkeit, verdrängt vom digitalen Schreiben
Die Vielzahl an schriftlichen Kommunikationsmitteln (E-Mails, Messenger, Kollaborationstools) hat das direkte Sprechen in den Hintergrund gedrängt. Die meisten Unternehmensinteraktionen laufen heute über Interfaces, in denen die Stimme keine Rolle spielt. Selbst Meetings – oft per Videokonferenz – reduzieren das gesprochene Wort auf ein Minimum: Man „führt durch Folien“, aber verkörpert keine Idee mehr.
Diese Entwicklung wirft Fragen auf. Denn Mündlichkeit ist nicht nur ein weiterer Kommunikationskanal. Sie ist eine Denkform, ein Mittel zur Beziehungsgestaltung, zur Autoritätsausübung, zur kulturellen Vermittlung. Was nicht ausgesprochen wird, bleibt schnell abstrakt, kühl, leblos.
Öffentlich sprechen: Mehr als reine Ausdrucksfähigkeit
Mitarbeitende im öffentlichen Sprechen zu schulen, bedeutet nicht, ihnen beizubringen, „gute Reden“ zu halten. Es geht darum, Gedanken zu strukturieren, Absichten zu klären und sich als Teil einer Gruppe zu positionieren.
Die Vorteile sind vielfältig:
- Stärkeres Leadership: Führungskräfte, die klar sprechen, erzeugen eine Präsenz, die Vertrauen schafft.
- Strategische Ausrichtung: Eine klar vermittelte Idee wird besser verstanden — und besser umgesetzt.
- Kohäsion im Team: Gemeinsames Sprechen schafft Verbindung, wo Schriftlichkeit trennen kann.
- Persönliche Entwicklung: Wer seine Redeangst überwindet, stärkt auch seine Durchsetzungskraft in anderen Arbeitsfeldern.
Warum geht diese Fähigkeit verloren?
Mehrere Faktoren erklären diesen Rückgang:
- Technisierung der Kommunikation: Digitale Tools verringern den Bedarf an direktem Austausch.
- Zeitdruck, Effizienzdruck: Eine E-Mail zu schreiben scheint schneller, als eine klare Rede vorzubereiten.
- Mangel an strukturiertem Training: Viele Unternehmen betrachten Mündlichkeit als angeborenes Talent oder „Soft Skill“ – selten als gezielt trainierbare Fähigkeit.
- Individuelles Unbehagen: Die Angst vor öffentlichem Auftritt bleibt stark, selbst bei erfahrenen Fachkräften.
Die Rückkehr der Verkörperung in einer Welt der Avatare
Je virtueller die Kommunikation wird, desto wertvoller wird das gesprochene Wort – lebendig, verkörpert, spontan. In einer Welt voller standardisierter oder KI-generierter Inhalte wirkt eine authentische Rede – mit Pausen, Unsicherheiten, Nuancen – umso kraftvoller.
Einige Unternehmen haben das erkannt: Sie geben mündlichen Formaten neuen Raum — interne Talks, partizipative Seminare, Team-Foren — und fördern gezielt diese Rituale. Nicht zum Selbstzweck, sondern um Sinn, Richtung und Engagement zu erzeugen.
Eine neue Führung, basierend auf der Stimme?
Das gesprochene Wort ist kein bloßes Kommunikationsmittel. Es ist ein Denkakt, ein Einflussinstrument. In einer Welt dominierter Kurzbotschaften und standardisierter Texte ist es essenziell, die Mündlichkeit wieder im Berufsalltag zu verankern. Es geht nicht darum, Sprechen und Digitales gegeneinander auszuspielen — sondern darum, die Rolle der öffentlichen Rede als Träger von Klarheit, Bedeutung und Führungskraft wieder anzuerkennen.
Bei Swissnova betrachten wir öffentliches Sprechen nicht als Zusatzkompetenz, sondern als zentrales Mittel zur Vermittlung, zur Klärung und zur Wirkung. Es geht nicht darum, Menschen „lockerer“ zu machen, sondern ihnen die bewusste, verantwortungsvolle Einflussnahme zu ermöglichen.
Unsere Herangehensweise verzichtet auf oberflächliche Rhetoriktricks. Stattdessen setzen wir auf tiefgehende Arbeit: Absicht schärfen, Haltung reflektieren, Gedanken artikulieren. Es geht nicht darum, „schön zu reden“, sondern eine Idee lebendig, strukturiert und mitreißend durch ein Team fließen zu lassen.
Die entscheidende Frage lautet also nicht nur:
„Wie reden wir besser?“, sondern:
„Was wird aus einer Organisation, in der niemand mehr spricht?“